Die Kommission zu Fragen der Migration und Teilhabe hat sich bei ihren Sitzungen am 08.02.2022 und 08.03.2022 intensiv mit dem Thema „Repräsentation der Geschichte und der Gegenwart von Migration im schulischen Unterricht“ im Rahmen einer mündlichen Anhörung und einer schriftlichen Unterrichtung befasst.

Auf Grundlage dieser Informationen und der sich daran anschließenden Diskussionen vonseiten der Kommissionmitglieder hat amfn e.V. folgende Forderungen an die niedersächsische Landesregierung aufgestellt und für die Kommissionsitzung am 07.06.2022 zum Beschluss vorgelegt:

Die Mitglieder der Kommission für Fragen der Migration und Teilhabe fordern die Landesregierung auf,

  • ein verpflichtendes und prüfungsrelevantes Modul bzw. eine Modulreihe für die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften in Niedersachsen zum Thema rassismuskritische Schulpädagogik/Diversity zu entwickeln und an den niedersächsischen Hochschulen, die Lehrkräfte ausbilden, zu implementieren. Diese Module müssen sowohl für die Studienseminare als auch die Fortbildung von Lehrkräften verpflichtend eingeführt werden.
  • die Einsetzung einer Kommission, die die vorhandenen Curricula und Unterrichtsmaterialien unter rassismuskritischer Perspektive einer Überprüfung unterzieht und Empfehlungen für deren Weiterentwicklung ausspricht. In der Kommission muss die migrantische Perspektive vertreten sein.
  • Hürden bei der Anerkennung von ausländischen Abschlüssen von Lehrkräften abzubauen und Angebote für ergänzende Qualifizierungen einzurichten, um mehr Pädagog*innen mit Migrationsgeschichte in den Schuldienst aufzunehmen.

Begründung:

Die Schule ist diejenige gesellschaftliche Institution, in der Teilhabechancen und Lebensperspektiven „verteilt“ werden. Schulerfolg bildet häufig die Grundlage für den weiteren Erfolg im Leben. Nach wie vor verteilt das Bildungssystem in Niedersachsen die Chancen ungleich. Statistiken zeigen, dass Kinder mit Migrationshintergrund bei den höheren Schulabschlüssen unterrepräsentiert sind. Gleichzeitig ist die Zahl der Schulabbrecher*innen unter den Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund deutlich höher als bei Kindern ohne Migrationshintergrund. Durch die Pandemie hat sich diese Situation im Allgemeinen noch verschärft.

Wissen und Kompetenzen in den Feldern rassismuskritische Bildung/Diversity sind Kernkompetenzen in einer Einwanderungsgesellschaft. Aus diesem Grund muss sich das niedersächsische Bildungssystem mit der Aus- und Weiterbildung seiner Lehrkräfte sowie seinen Inhalten und deren Behandlung der gesellschaftlichen Normalität von Einwanderung und Heterogenität stellen.

Bis heute spiegelt sich die Realität der Einwanderungsgesellschaft Deutschlands nicht in der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften wider. In den Unterrichtsmaterialien wird Deutschland als Einwanderungsland weder mit den historischen Entwicklungen noch mit den gesellschaftlichen Herausforderungen und der gesellschaftlichen Normalität von Zuwanderung behandelt. Die Themen Migration und Integration werden überwiegend mit krisenhaften Situationen und Entwicklungen in Verbindung gebracht oder stark „typisiert“ behandelt. Migration und Zuwanderung sind jedoch ein gesellschaftlicher Normalzustand; dieser darf nicht vorwiegend als problematische „Ausnahmesituation“ thematisiert werden.

Defizite in der Ausbildung und Weiterbildung von Lehrkräften und defizitorientierte Diskurse über Migration und Migrant*innen in den Curricula und Unterrichtsmaterialien führen dazu, dass viele Lehrkräfte auf die Heterogenität in der Schüler*innenschaft schlecht vorbereitet sind. Eine angemessene Förderung und Chancengerechtigkeit in der Schule wird dadurch be- bzw. verhindert. Das Bildungssystem einer Einwanderungsgesellschaft soll dazu beitragen, dass soziale Ungleichheit und unterschiedliche Startchancen von Schüler*innen ausgeglichen werden. Gleiche Chancen für alle Kinder sind das Ziel.

Hier unser Antrag zum Download [.pdf]